Dienstag, 11. Dezember 2012

Leserbrief zu "Immerhin - Merkels verbogene Nahostpolitik" (Siegener Zeitung vom Samstag, den 08. Dezember 2012, S. 1 und 2)



Leserbrief zu "Immerhin - Merkels verbogene Nahostpolitik" (Siegener Zeitung vom Samstag, den 08. Dezember  2012, S. 1 und 2)

Chance auf Tiefgang vertan....

Bei aller tagespolitischer Aktualität stellt sich die Frage, was den ehemaligen Chefredakteur der Siegener Zeitung, Herrn Dr. Winterhager dazu antrieb, über sieben lange Abschnitte hinweg, seine Nahostbetrachtungen zu präsentieren. Denn erhofft man sich angesichts dieser Umfänglichkeit solides Hintergrundwissen zu bekommen, bekommt man anstelle dessen eine "Analyse" präsentiert, die sich vom Ergebnis her kaum von einer Sammlung durchgereichter Agenturmeldungen, gängigen Klischees und plumper Israelschelte unterscheidet. Wieder ist eine Chance vertan, einmal in die Tiefe zu gehen.

Anstelle dessen wird ein Bild gezeichnet, als ob der israelische Ministerpräsident eben gerade einen Entschluss gefasst hätte, zeitnah die Bagger für ein Wohnprojekt rollen zu lassen, das den Norden der Westbank völlig vom Süden abschneidet.
Tatsächlich aber geht es bei E1 um Planungen, die in etwa so alt sind wie die Oslo-Verträge (1993 bis 1995) , um ein Projekt, das schon Friedensnobelpreisträger Jitzhak Rabin seinerzeit vorangetrieben hatte, und das jetzt - wieder einmal aufgegriffen - in eine weitere Planungsphase kommen soll. Im Ergebnis ist aber wohl in überschaubarer Zukunft dort mit keinem Spatenstich zu rechnen, doch auch wenn, würde die Bebauung eines Hügels mit 3000 Wohneinheiten , sollte es je dazu kommen, nicht bedeuten, dass hier der Norden der Westbank vom Süden abgetrennt würde, wie schon ein Blick auf die Landkarte zeigt.
Dass ausgerechnet jetzt die vielleicht letzte Chance auf eine Zweistaatlösung vertan wird, ist eine Mahnung, die alle Jahre wieder bei passend scheinenden Gelegenheiten nachdrücklich ertönt, die sich aber eines überprüfbaren Inhalts entzieht, auch wenn Dirigentenstar Daniel Barenboim als israelischer Kronzeuge für die angeblich vielen!! identisch empfindenden Israelis hier ins Feld geführt wird.

Winterhager kritisiert das deutsche Abstimmungsverhalten bei der Aufwertung des Status von "Palästina", unterschlägt aber die eigentliche Begründung, die an sich genommen eigentlich ein "Nein" zu Aufwertung meint, weil sie völlig zu recht anmahnt , dass ein Friedensabkommen allein durch direkte Verhandlungen zustande kommen und zielführend im Friedensprozess sein kann.
Wie sich sehr schnell gezeigt hat, sind viele Staaten bei der Abstimmung sehr naiv gewesen, als sie für eine entsprechende Aufwertung stimmten und gleichzeitig Abbas eindringlich baten,diese Aufwertung nicht für den Gang vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu nutzen.  Denn letzteres war wohl der alleinige Zweck, nämlich ein weiteres Feld zu schaffen, auf dem der Konflikt noch mehr internationalisiert werden kann bzw.. Israel einem ständigen "Lawfare" ausgesetzt wird. Das ist aber genau das Gegenteil von direkten Verhandlungen und steht im Gegensatz zu dem, was die Oslo-Verträge meinen, und somit sicher  kein Zwischenschritt zu einer Zwei-Staatenlösung.




Außer Acht lässt Herr Winterhager zudem, warum Israel auch in Hinblick auf eine Friedensregelung die Aktivitäten Teherans thematisieren muss, ist es doch die islamische Republik Iran, die die Terrororganisation Hamas u.a. mit denjenigen Raketen beliefert, die vor kurzem noch auf Tel Aviv abgefeuert wurden. Letztere rief erst gerade wieder zur Vernichtung Israels auf, und es ist der angeblich moderate  hier als friedenswillig  gepriesene Abbas, der die Einheit mit dieser Terrorbande wünscht. Israel kann es sich somit gar nicht leisten, das Thema Iran bei Friedensverhandlungen außen vor zu lassen. Was Herr Winterhager am sicheren Schreibtisch für überzogen hält, ist für Israel schon aus Sicherheitsgründen existenziell wichtig.

Völlig unverantwortlich wird es nun, wenn Herr Winterhager "neues Aufbegehren" ( gemeint ist wohl: neuer Terror gegen Israel) mit den Wohneinheiten, die Israel plant, rechtfertigt. Denn Israel hat mehr als einmal bewiesen, dass es in der Lage und willens ist, einmal gebaute "Siedlungen" auch wieder zu räumen. Die Behauptung, hier werde unwiederbringlich eine Zweistaatenlösung durch Israels Politik unmöglich gemacht, erfreut sich besonders in der EU zwar einer großen Beliebtheit, einer ernstern Überprüfung hält sie allerdings kaum stand.

In eine ähnliche bedenkliche Richtung bewegt  sich Herrn Winterhagers Formulierung, dass Lebensverhältnisse im Gazastreifen "so zugeschnitten" seien, dass "nur Unheil" entstehen kann. Es war die Gaza -Resolution des deutschen Bundestages, die schon 2010 feststellte, dass "in Gaza KEIN Mangel an Grundnahrungsmitteln und grundlegender medizinischer Versorgung" herrscht.  Auch hier hielte ich  anstelle der ständig überstrapazierten Worthülsen einen gewissenhaften Faktencheck, der die Lebensverhältnisse Gazas mit anderen arabischen Staaten vergleicht, für angesagt.  Zudem lassen derartige Erklärungsversuche für zu erwartendes „Unheil“ völlig beiseite, dass dieser Terror durch ausgesprochenen Judenhass motiviert ist, wie ein Blick in die Charta der Hamas zeigt. Der geht es somit auch nicht vorrangig um Beseitigung schwieriger Lebensbedingungen oder die Verhinderung von Bauprojekten in der Westbank oder Jerusalem, sondern - und sie wird nicht müde das zu betonen- um die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates nicht nur in Ramallah, Dschenin, Gaza u. a. und Teile von Jerusalem, sondern auch in israelischen Städte Tel Aviv und Haifa u.a., sprich um die Auslöschung des jüdischen Staates.